Wir haben es tatsächlich getan. Oder präziser: Wir werden es tun, jetzt gleich, heute Abend, in wenigen Stunden. Unsere wirklich wunderschöne Wohnung zu Ende Mai kündigen und dann … Tja, das ist dann auch schon die Frage. AirBnB, Ferienwohnungen, vielleicht mal ein Hotel, vielleicht mal bei Freunden unterkommen, mal sehen. Unser Plan ist es, ab Juni für sieben Monate durch Deutschland zu reisen und dort zu bleiben und zu arbeiten, wo es uns gefällt. Vermutlich eher im Norden anzufangen und uns dann – mit den zunehmend kälteren Temperaturen – in den Süden vorzuarbeiten. Irgendwie so stellen wir uns das vor, und je mehr ich an die Details denke, desto mehr wird mir klar, dass auch hier noch gefühlt unzählige kleine Fragezeichen warten.
Aber der eigentliche Schritt ist getan, ab jetzt gibt es kein Zurück mehr und die Zeit läuft. Bis Ende Mai ist noch eine Menge zu tun. Da ist nicht nur die Wohnung, die wir irgendwie in einem vernünftigen Zustand an irgendwen übergeben müssen. Da sind auch die Sachen, die irgendwo eingelagert werden müssen. Das Auto, das wir abgeben müssen – in der Hoffnung, dass das Autohaus seine Zusage, den Wagen auch vor Ablauf des Leasingzeitraums zurückzunehmen, tatsächlich einhält. Das neue Auto, das wir kaufen müssen, um überhaupt reisen zu können. Alle Impfungen, um die wir uns jetzt schon kümmern wollen, mit Blick auf die Weltreise ab Januar 2023, weil es nicht einfacher wird, wenn wir erst einmal unterwegs sind. Die Frage, was mit unseren mehr als 80 Zimmerpflanzen ist: Finden wir jemanden, der sich um sie kümmert, verkaufen oder verschenken wir sie? All die Verträge, die wir noch kündigen, Versicherungen, die wir anpassen müssen.
Noch fühlt es sich etwas unwirklich an. So als würden wir einfach laut ein wenig rumspinnen, ein, zwei Gläser Wein zu viel trinken, ein bisschen träumen und fachsimpeln – und am nächsten Tag geht doch alles weiter seinen gewohnten Gang und nichts hat sich geändert. Das was wir vorhaben, ist noch nicht greifbar. Vielleicht fühlt es sich etwas realer an als gestern, durch die Unterschrift auf dem Blatt Papier. Und vielleicht ist das der Grund, warum ich vorhin allen Freunden, meinen Eltern und Arbeitskollegen von unserem Entschluss erzählt habe. Fakten schaffen. So lange und so viel darüber reden, bis es sich auch für mich so anfühlt, als würde es passieren.
Und dann ist da ja auch noch die kleine Hintertür. Die Idee, die Wohnung nicht dauerhaft aufzugeben, sondern in Rekordzeit einen Zwischenmieter zu finden. Jemanden, der uns unser Zuhause irgendwann nach der Weltreise wieder zurückgibt. Versuchen jedenfalls werden wir es, wir sind schon dabei, die Anzeigen sind geschaltet und es bleibt uns nichts übrig, außer zu warten. Aber ehrlich gesagt rechnen wir nicht wirklich damit, dass es funktioniert. Zu groß müsste der Zufall sein, genau für diesen Zeitraum jemanden zu finden, der bereit ist, diesen Betrag für diese Wohnung in dieser Stadt zu zahlen. Doch gerade dieser Zwischenzustand, die Ungewissheit, lässt alles noch etwas mehr vage und fast schon unscharf werden, als es ohnehin schon ist. Aber möglicherweise ist das auch gut so.
Denn es wird die Momente geben, in denen wir es bereuen, an unserer Entscheidung zweifeln, unzufrieden und gestresst sind, einfach einen sicheren Hafen haben wollen, den wir dauerhaft unser Zuhause nennen können. Von daher nehme ich mir vor, diesen seltsamen Schwebezustand, in dem alles möglich ist und gleichzeitig, parallel existieren darf, einfach zu genießen. Und morgen anzufangen, mich um die ersten Dinge zu kümmern.
28. Februar 2022