Es hat gearbeitet in uns, das kann man nicht anders sagen. Denn irgendwie war da das Gefühl: Da stimmt etwas nicht, das ist nicht ganz richtig so. Da war diese Erleichterung, nachdem alle Sachen und tausende Dinge in Kartons verstaut waren. Dieses Gefühl, ganz viel unnötigen Ballast losgeworden zu sein. Die Vorfreude darauf, in den kommenden Monaten, bis Ende des Jahres mit so viel weniger auszukommen – und sich dann für die Weltreise ab Januar noch weiter zu reduzieren.
Und dann haben wir angefangen, darüber nachzudenken, wie es wohl ist, wenn wir nach fast zwei Jahren – in denen wir gelernt und erfahren haben werden, dass wir mit so wenig auskommen – nach Hause kommen und plötzlich von fast 80 vollgepackten Kartons förmlich erschlagen werden. Das war der Moment in dem uns klar geworden ist, dass wir etwas ändern müssen – und wollen.
Denn wenn ich jetzt, wo mehr als 90 Prozent aller Sachen weggepackt sind, bereits merke, dass ich nichts davon brauche, nichts vermisse und teilweise noch nicht einmal weiß, was ich da überhaupt eingelagert habe, dann ist klar, dass ich dieses ganze Zeug nach zwei Jahren nicht einfach so wiederhaben will. Also haben wir alles auf Anfang gesetzt. Und kurz vor dem ersten Umzugstag noch einmal alle Kartons und jeden Gegenstand ausgepackt. Packpapier ausgewickelt, Haufen gebildet, alles nebeneinander gelegt – und uns gefragt: Was davon brauchen wir wirklich? Was benutzen wir? Und was wollen wir nach zwei Jahren tatsächlich mit Freude wieder auspacken?
Kurz gesagt: Es ist deutlich weniger, als man meinen könnte. Deshalb haben wir radikal ausgemistet. Neun Kartons mit Büchern, Spielen und Filmen an zwei Gefängnisse gespendet, fünf Säcke voller Klamotten in die Altkleidersammlung gebracht, zwei Ladungen Sperrmüll zum Wertstoffhof und zahlreiche Dinge bei eBay verkauft. Wir haben sie nicht gezählt, aber insgesamt dürften es rund 30 Kartons oder mehr sein, die auf die ein oder andere Weise rausgeflogen sind. Weshalb wir jetzt, nebenbei bemerkt, auf einem riesigen Haufen leerer Umzugskartons sitzen, aber auch darum werden wir uns noch kümmern.
Am Sonntag haben wir dann die erste Fuhre eingelagert. Ein großer Transporter, alles rein – und ab damit in den Keller von Lenas Mutter, den sie uns dankenswerter Weise zur Verfügung stellt und der zum Glück so groß ist, dass dort problemlos alles Platz hat. Denn auch nach dem Ausmisten, ist es immer noch viel, was wir haben. Deshalb auch das seltsame Gefühl auf der Hinfahrt, gerade einen Haufen unnützen Plunder durch die Republik zu kutschieren. Vermutlich werden wir also auch beim zweiten Auspacken in zwei Jahren überrascht sein, was wir da alles angesammelt haben. Aber das ist ein Problem von Zukunfts-Jan und Zukunfts-Lena – für den Moment jedenfalls haben wir getan, was sich richtig und gut angefühlt hat.
Jetzt freuen wir uns darauf, diese Woche noch ein paar Kleinigkeiten zu erledigen – und ab Samstag haben wir dann eine Woche Urlaub: Türkei, fünf Sterne, Sonne, Füße hochlegen und nichts tun. Der Urlaub war schon geplant, bevor wir das mit dem Auszug beschlossen hatten – und wir waren uns erst nicht sicher, ob das weiterhin eine gute Idee ist. So von unter Volldampf kommend, plötzlich auf Null runterschalten, Vollbremsung in der Sonne und so. Aber ich kann jetzt schon sagen: Es war genau richtig. Denn nach dem ganzen Stress, kommt die eine Woche Auszeit genau richtig. Eine Woche keine Kartons mehr sehen zu müssen – das wird großartig.
10. Mai 2022