Und dann ist da der Moment, im Wintergarten, ein Glas Weißwein in der Hand und die Müdigkeit des Umzugs macht sich langsam bemerkbar – da fühle ich es zum ersten Mal so richtig: Wir machen das jetzt wirklich. Beziehungsweise: Wir haben es gemacht – denn das Ziel, auf das wir wochenlang hingearbeitet haben, ist gekommen und liegt schon wieder hinter uns. Die Tür zu unserer Wohnung haben wir vor ein paar Stunden ein letztes Mal hinter uns geschlossen, alle Räume sind leer, unsere Sachen, Möbel und Kartons sind eingelagert.
Jetzt also ist ein neues Kapitel angebrochen, aber wenn ich ehrlich bin, fühlt es sich größtenteils noch relativ unwirklich an. Im Auto, auf dem Weg zu Lenas Mutter, die Musik aufgedreht, rufen wir uns zu: „Jetzt geht es endlich los“, wie um uns selbst zu bestätigen, dass das jetzt passiert. Aber bis auf den Moment im Wintergarten bleibt es derzeit bei einem eher theoretischen Verständnis. Das Wissen ist da, aber das Gefühl hat sich noch nicht eingestellt. Eher ist es wie ein Ausflug oder ein langer Wochenendbesuch – ich bin gespannt, wie sich das in den kommenden Tagen und Wochen entwickelt und verändert.
Lustigerweise ist das erste, was ich gestern gemacht habe: ausmisten. Denn trotz guter Planung wurde der Platz in meinen zwei Kartons (jeder von uns hat für die Reise zwei Kisten, die er nach Belieben für Kleidung und persönliche Sachen nutzen kann) zum Ende hin recht eng. Also alles noch einmal auf dem Boden ausgebreitet, jedes Teil in die Hand genommen und sich gefragt: Brauche ich das wirklich? Vier lange Hosen, drei – oder reichen zwei? Auch wenn ich gerade absolut Lust auf das Konzept des Minimalismus habe, merke ich, wie es mir eine irrationale Sicherheit gibt, vier Hosen zu besitzen. Zwei schwarze und zwei blaue – und wenn eine mal kaputt gehen sollte, dann habe ich ja immer noch … so ein Quatsch.
Aber auch so etwas muss man sich nicht nur bewusst machen, sondern einfach erleben. Deswegen also zwei Hosen. Und ansonsten: zwei Jeanshemden, zwei Pullover, sechs T-Shirts (die ich aber auch nachts und zum Sport anziehe), zwei kurze Hosen, zwei Paar Schuhe, eine Jacke. Das dürfte es im Wesentlichen gewesen sein. Und ein paar Luxusgüter – wenn man so will – haben wir auch noch dabei. Relativ viele Spiele (und das vage Gefühl, dass wir hier ein wenig übertrieben haben), Lena ihren Milchaufschäumer, ich meine French Press, dazu ein paar Vorräte, bei denen wir es in den letzten Tagen nicht mehr geschafft haben, sie aufzubrauchen – was im Falle der drei Flaschen Rum vermutlich auch ganz klug war.
Aber auch das wird sich perspektivisch reduzieren und alles wird einfacher, simpler, weniger komplex. In diesem Sinne werde ich jetzt mein kleines Fitnessstudio aufbauen (dazu muss ich die Tage mal einen eigenen Beitrag schreiben) und eines der sechs verbliebenen T-Shirts nutzen.
29. Mai 2022