Es ist ein sommerlich warmer Sonntagnachmittag, ich liege frisch geduscht auf der Couch, wobei mir ein angenehmer Wind über die Beine streicht, schaue die Tour de France im Fernsehen und war vorhin selbst schon über 60 km Rennradfahren. Dabei frage ich mich, wann ich das letzte Mal in Wuppertal einen so wunderbar entspannten Sonntag verbracht habe – so ganz ohne irgendwelche größeren Verpflichtungen und To-Dos. Natürlich habe ich zu Hause auch mal auf der Couch gelegen und Fernsehen oder Serie geschaut, aber eingebettet in einen eng getakteten Plan. Entweder hätte ich heute Morgen schon alles Mögliche im Eiltempo erledigt, um dann „in Ruhe“ aufs Rennrad zu steigen, oder würde nun mit schlechtem Gewissen auf der Couch liegen, weil zum Beispiel noch Pflanzen gegossen, irgendwelche Retouren für die Post vorbereitet, oder einfach hunderttausend Kleinigkeiten in der Wohnung erledigt werden müssten.
Und hier: einfach nichts. Naja, so gut wie nichts – die Wäsche muss natürlich auch hier gewaschen und aufgehängt, die Spülmaschine ein- und ausgeräumt und der Wocheneinkauf gemacht werden. Aber es fühlt sich anders an, da nebenher noch genügend Zeit und Ruhe für die eigenen Bedürfnisse bleibt. Hinzukommt, dass die Umgebung hier einfach toll ist. Wenn wir aus der Tür gehen, stehen wir sofort vor goldgelben Feldern, im Hintergrund dunkelgrüne Baumgruppen und Wälder – Natur, soweit das Auge reicht, hin und wieder von hübschen Alleen durchzogen. Es fühlt sich sofort an, als wenn wir im Urlaub sind. Sicherlich auch, weil die Umgebung neu für uns ist und eben nicht das gewohnte Zuhause, aber ganz sicher auch, weil wir hier wirklich Zeit für uns haben und abschalten können, wenn wir den Feierabend oder das Wochenende einläuten.






Und dies ist ein ganz wichtiger Punkt – denn unter der Woche, fühlt sich das Leben tagsüber hier ganz und gar nicht nach Urlaub an, sondern nach ganz gewöhnlichem Home-Office. Ein virtuelles Meeting jagt das nächste, die Mittagspause entfällt, oder wird gerne am Laptop sitzend mit dem Brot oder Müsli daneben verbracht und ich nehme in meinem mobilen Büro gar nicht wahr, wo ich eigentlich bin – also genauso wie zu Hause. Der einzige Unterschied ist vielleicht, dass ich jetzt noch mehr verstehe, was Jan eigentlich den ganzen Tag so auf der Arbeit macht, weil er mir am Küchentisch gegenüber sitzt und ich zwangsläufig seine Videocalls mitbekomme. Klar, das kann auch mal nerven, besonders wenn wir beide gleichzeitig Termine haben und versuchen nicht zu laut zu sprechen, damit der andere nicht gestört wird, oder schlicht das WLAN in die Knie geht. Aber insgesamt ist es doch irgendwie schön, das „Büro“ zu teilen.
Mein Resümee der ersten Wochen unterwegs, ist somit wirklich, wirklich positiv. Unsere anfänglichen Schwierigkeiten, dass alles etwas anstrengender ist, weil die Abläufe noch nicht eingespielt sind, hat sich – zumindest hier an der Mecklenburgischen Seenplatte – komplett gelegt. Wir kennen jetzt alle Handgriffe und sind angekommen. Wie es dann wird, wenn wir nächste Woche Samstag nach Berlin fahren, wird sich zeigen. Ich bin aber guter Dinge, dass wir gerade lernen, dass das Neue und Ungewohnte, unser neues Normal ist, sodass wir uns schneller darauf einstellen können und das Gefühl, dass alles etwas mehr Energie verbraucht, ganz bald der Vergangenheit angehört.
Und noch eine zusätzliche, für mich persönlich, sehr spannende Erkenntnis ist, dass ich unsere Wohnung, unser festes Zuhause, unseren Rückzugsort, überhaupt nicht vermisse. Davor hatte ich vor unserer Abreise wirklich Sorge. Dass ich mich etwas verloren fühlen könnte, mein Ankerpunkt fehlt und ich unser Abenteuer nicht genießen kann. Aber jetzt weiß ich, dass zuhause immer da ist, wo wir sind, und das macht mich sehr, sehr glücklich.






3. Juli 2022