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Jan: Eine Woche mit Zelt und Rucksack in Island – Part III

Donnerstag
Zum Frühstück gibt es Reispudding mit Beeren, das gefriergetrocknete Fertigessen ist ein Segen und ein entscheidender Wohlfühlfaktor. Zumal heute eine Doppeletappe ansteht – von Alftavatn geht es über Hrafntinnusker direkt bis nach Landmannalaugar, dem Ziel unserer Tour. Das Wetter in Island bleibt wechselhaft. Sonne am Morgen, dann Nebel, der steilste Berganstieg, den ich je erlebt habe, noch mehr Nebel, Berge und Steinstrukturen in Grau – und plötzlich reißt der Himmel auf und wir stehen in der nächsten, fast unwirklichen Landschaft. Gelbe, sandfarbene Lehmfelsen, dampfende und kochende Wasserquellen direkt am Wegrand, dazu Schneefelder und Vulkangestein. Die Landschaft ist so unfassbar, dass der Kopf kaum hinterherkommt.

Nach rund zwölf Kilometern erreichen wir unser Zwischenziel – hier könnten wir campen, aber es ist noch zu früh und landschaftlich zwar abgefahren, aber nicht wirklich einladend. Deswegen laufen wir weiter auf der Hochebene. Hügel mit Steinen und Senken mit Schnee, wechseln sich ab, bis wir nach einer Kuppe schließlich das optische Highlight unserer Tour sehen: die bunten Berge rund um Landmannalaugar. Vermutlich eines der bekanntesten Ziele in Island und für die meisten Reisenden absolutes Pflichtprogramm. Die Farben sind einmalig, die Berge strahlen in den aufregendsten Pastelltönen – grüner Sand, rote Steine, neonfarbenes Moos. Dazu die obligatorischen Schneefelder, die dampfenden Fumarolen, Vulkane, ein riesiges noch junges Lavafeld in der Ebene, meterhoch, es sieht aus, als wäre es gerade erst zum Stillstand gekommen. Hier kommt alles zusammen, es ist die absolute Überdosis an Eindrücken. Und auch wenn die endlosen Hügelketten vom Anfang der Tour irgendwie mehr in mir ausgelöst haben, muss ich sagen: Nie hätte ich gedacht, dass es so etwas geben kann. Und ich verstehe sofort, warum Sebastian unsere Tour hier enden lassen wollte.

Randbemerkung: In Landmannalaugar kommt nicht nur optisch alles zusammen, auch alle Arten von Touristen mischen sich hier. Die Hiker, die Wanderer, die Tagesausflügler, die Reisegruppen. Die mit Converse-Turnschuhen, sogar Absätze sehe ich einmal, und die, die mit ihrer ganzen Tarnkleidung aussehen, als würden sie gleich in den nächsten Einsatz ziehen. Und ja, nach fünf Tagen und 111 Kilometern fühlt es sich gut an, sich hier zwischen all den Menschen zu bewegen und zu wissen, dass man es geschafft hat. Das volle Programm.

Freitag
Da der Bus zurück nach Reykjavik erst gegen Nachmittag kommt, bleibt uns vorher noch Zeit für eine Tagestour. Natürlich geht es rauf auf den höchsten Berg der Umgebung. Hunderte Höhenmeter am Stück, allerdings ohne Rucksack, was sich fast schon unverschämt leicht anfühlt. Kilometerweit geht der Blick von oben in die Ferne, ein Gipfel reiht sich neben den anderen, dazwischen riesige Gletscher im leichten Nebel. Was für ein erhabenes Gefühl hier zu stehen und den Blick ein letztes Mal über diese Landschaft schweifen zu lassen. Sogar meinen Füßen geht es noch gut, ehrlich gesagt sogar besser als am Anfang, nur meine Knie haben die letzten Tage arg gelitten, weshalb alle (meine Knie, Sebastian, dessen Füße ihm nicht ganz so gut mitgespielt haben, und ich) nichts dagegen haben, schließlich wieder im Camp zu sein und nicht noch Kilometer um Kilometer dranzuhängen.

Auf den Bus wartend, im Gemeinschaftszelt, kochen wir schnell noch das letzte Essen, die Rucksäcke stehen gepackt neben uns, als draußen der typisch isländische Regen einsetzt. Sofort kommt ein kalter Wind auf, es sind vielleicht acht Grad, gefühlt noch deutlich kälter. Und plötzlich, unerwartet und gegen alle Vernunft, ist da dieser Gedanke: Ich will da raus. Regenhose und Regenjacke anziehen und weiterlaufen. Mich den Elementen stellen, gegen den Regen kämpfen, Island hautnah erleben, fühlen, mich Berge hochkämpfen und Täler durchwandern. Wie unfassbar schön wäre das einfach nur?

Randbemerkung: Im Hostel gibt es nach einer Woche endlich die erste Dusche. Sie fühlt sich unglaublich gut an. Meine einzigen Wechselsachen, habe ich mir für diesen Moment aufgehoben und schlüpfe beseelt in frische Socken, frische Boxershorts und ein sauberes T-Shirt. Allein für diesen Moment, lohnt sich so eine Tour, es ist himmlisch.

Epilog – Samstag
Natürlich gab es am letzten Abend in Reykjavik noch einmal Cocktails in der Stadt. Und Backfisch. Mit Pommes. Und Bier. Und viel zu wenig Schlaf, weil wir früh wieder raus und zum Bus müssen. Und natürlich sind wir nicht erholt, sondern abgekämpft und müde. Aber auch einfach glücklich und dankbar, dass wir dieses tolle Land so intensiv erleben durften. Das erste Stück Obst nach einer Woche ist ein Highlight, und trotzdem würde ich es sofort gegen einen weiteren Tag mit Zelt und Rucksack eintauschen. Der Flug vergeht zu schnell, gerade noch standen wir zwischen Lavafeldern und Vulkanen – und plötzlich sind wir am Frankfurter Flughafen. Was bleibt ist ein tiefes Gefühl der Gelassenheit, weil diese Reise mir wieder einmal gezeigt hat, wie unwichtig doch die meisten Dinge sind, mit denen wir uns im Alltag so herumschlagen.

Randbemerkung: So vieles gibt es, das ich nicht erzählen konnte, weil dafür der Platz und vermutlich auch deine Geduld als Leser nicht ausreicht. Von isländischen Schafen. Vom Busfahrer, der lieber Entertainer geworden wäre. Überhaupt von den Busfahrten, durch Flüsse und über Sandberge. Vom wirklich sehr individuellen Kälteempfinden der Menschen. Von den Ultraleichtwanderern und den Läufern. Von Begleitern, Fliegen und Bekanntschaften. Und vieles mehr. Aber das will ich noch sagen: Solltest du je darüber nachdenken, nach Island zu fahren – hör auf zu denken und mach es einfach, es lohnt sich. Alles daran.

30. Juli 2022

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