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Lena: Weimar auf eigene Faust

Es ist Samstagnachmittag, das Auto wieder bis oben hin bepackt und mittlerweile liegen etwa 250 km hinter mir, als ich etwas müde auf den Rastplatz einbiege, bevor meine letzten knapp 40 km zum Ziel beginnen. Die anderen Reisenden schauen mich interessiert an, wie ich dort mit geöffneter Fahrertür bei Kaffee und Bagel sitze und scheinen sich zu fragen, wohin eine Frau allein mit zwei Rennrädern auf dem Dach und allerhand Gepäck wohl unterwegs ist – auf jeden Fall kein alltäglicher Anblick, sagen mir ihre Blicke, die mir in ähnlicher Weise eine Woche später in vergleichbarem Setting erneut begegnen werden.

Nachdem alles an seinem Platz ist, lasse ich meine gemütliche Dachgeschoss-Wohnung, die sich in einer renovierten Villa von 1938 befindet, direkt oberhalb des Ilm-Parks in Weimar, auf mich wirken, atme durch und genieße den ersten richtigen Moment der Ruhe an diesem Tag. Morgens noch im belebten Berlin gewesen, bin ich nun also im wesentlich ruhigeren Weimar… Mittlerweile ist es schon früher Abend und ich mache mich auf den Weg für eine erste kleine Erkundung der Stadt und um noch schnell ein paar Einkäufe für die nächsten Tage zu erledigen – der Ilm-Park, durch den ich, vorbei an Goethes Gartenhaus und dem Baumgesicht, in 15 Minuten zu Fuß in der Innenstadt bin, gibt mir dabei einen ersten Vorgeschmack auf diese wunderschöne Stadt.

Als ich später mit meiner Einkaufstüte und Musik auf den Kopfhörern nach Hause spaziere, fällt mir zum ersten Mal an diesem Tag auf, dass es wirklich schön – und fast schon ungewohnt – ist, nach so vielen Wochen der Zweisamkeit, einfach mal allein zu sein. So toll und harmonisch unsere Zeit zu zweit auch ist, freue ich mich darauf, die nächsten Tage ganz nach meinen Bedürfnissen und in meinem Tempo zu gestalten, ohne Abstimmen, ohne Kompromisse. Mit diesen Gedanken im Kopf bereite ich dann auch mein Abendessen zu und lasse den Tag bei einer Folge meiner Netflix-Serie ausklingen.

Der Sonntag beginnt mit einem ähnlich leichten Gefühl, wie der Vorabend geendet ist – und erinnert mich irgendwie an die entschleunigten Sonntagmorgen, als ich noch in Köln gewohnt und regelmäßig vor dem Frühstück zum Yoga gegangen bin. In Weimar gehe ich zwar nicht zum Yoga, aber starte mit Meditation und Dehnen ebenso entspannt in den Tag, bevor ich mich an die Planung einer ausgedehnten Runde durch die Stadt mache. Nach kurzer Recherche starte ich also am frühen Mittag in die wunderschöne Innenstadt – vorbei an Kirchen, Brunnen, verschiedensten historischen Gebäuden und den Denkmälern von Goethe, Schiller und Albert Schweitzer.

Das Wetter ist sommerlich warm und einfach herrlich, was mich dazu verleitet, meine Mittagspause mit einem – oder auch zwei – Aperol zu verbringen. Ich sitze vor einem kleinen Café, beobachte wie die Fußgänger an mir vorbei durch diese gemütliche Gasse laufen und scheine ein paar von ihnen zu animieren, es mir gleichzutun, sodass sie kurz darauf mit ihrem Aperol neben mir sitzen und mir zuprosten. Ein Sonntag kann definitiv schlechter sein…

Den Abschluss meiner ausgedehnten Stadttour, macht dann ein Besuch im Goethemuseum, welches sich in seinem ehemaligen Wohnhaus befindet und sehr spannende Einblicke in das Leben und Wirken Goethes gibt. Ich fühle mich in der Zeit zurückversetzt und sehe vor meinem geistigen Auge, wie er Gäste empfängt, versunken über seiner gesammelten Kunst sitzt und diese intensiv studiert, oder den Tag in seinem wunderschönen Bauerngarten ausklingen lässt, wo er mit seiner Frau gerne „schlampamte“, was so viel bedeutet, wie genießerisch/ gierig/ üppig essen – der Begriff erfreut mich irgendwie immer noch 😀

Den Rest der Woche, verbringe ich nach diesem gelungenen Start bei sehr viel Hitze nahe der 40 Grad und mit viel Arbeit in meinem Dachgeschoss-Home Office. Abends nehme mir aber auch ausreichend Zeit, den schönen Park vor meiner Tür zu genießen und auch mal allein aufs Rennrad zu steigen – ohne meinen offensichtlich riesengroßen Windschatten, der sonst immer vor mir fährt, aber eben gerade durch Island wandert – eine deutlich anstrengendere Erfahrung als gedacht.

Meinen letzten Abend in Weimar, genieße ich im wunderschönen italienischen Restaurant „Giardino“, das – wie der Name schon sagt – nur aus einem Garten besteht. Für die Zubereitung der Getränke und Speisen, gibt es zwar jeweils ein kleines Gebäude, teilweise mit offener Front, aber alle Sitzplätze befinden sich im Freien. Bei hauchdünner, krosser Pizza und kaltem Weißwein, lasse ich meine Woche nochmal Revue passieren:

Die größte Erkenntnis aus diesen Tagen in Thüringen? Das Alleinreisen, hat mir gezeigt, dass es doch viel intensiver ist eine Stadt auf eigene Faust zu erkunden, ohne sich darauf zu verlassen, dass immer der andere den Guide spielt und ich nur hinterherlaufen muss. Ich kann mich an jede Ecke auf meiner Tour erinnern, weiß nun, wie die Stadt aufgebaut ist, wo welche Sehenswürdigkeiten, oder auch nur ein guter Limo-Stand am Parkrand, sind und merke, dass ich die Stadt „verstanden“, ein Gefühl für sie entwickelt habe. Für mich steht somit fest, dass ich ab sofort auch auf unseren gemeinsamen Trips häufiger die Route durch die Stadt planen werde.

4. August 2022

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